Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach’s und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis
1. Korinther 11, 23b-24 (LUT)
Die christlichen Kirchen feiern in diesem Jahr 1700 Jahre Konzil von Nicäa. Ein paar wenige erinnern auch an den Bauernkrieg von 1525, wobei ganz sicher niemand sich an Nicäa oder den Bauernkrieg erinnern wird. Das Sich-Erinnern ist auf Jubiläen und Ereignisse aus dem eigenen Leben beschränkt. Jubiläen, Geburtstage, Jahrestage, Todestage: Wir blicken zurück, mit Freude und Dankbarkeit, aber auch mit Wehmut.
Wir Kirchen, so kann man sagen, leben aus der Erinnerung. Schon seit den Anfängen. Und so manch ein Spötter meint, wir sind dort stehen geblieben, während sich die Welt weiterentwickelt hat. Die Kirche steht für Rückstand, für den es in einer Welt des Fortschritts keinen Platz geben darf. Nun ja, die Kirchengeschichte gibt ihm viel Futter für diesen Vorwurf. Und auf der anderen Seite meinen nicht wenige, dass es in unserer Kirche nicht mehr viel gibt von diesem Anfang. Zurück zum Start, zum Idealzustand lautet die Forderung von den Fundamentalisten. Beide Richtungen hat es immer schon gegeben.
Und sie irren: Denn was war, kann nicht einfach abgeschüttelt werden, wie Dreck von den Schuhen. Und was war, das war zu jener Zeit vielleicht richtig und gut, kann aber nicht für alle Zeit ungeprüft Anspruch auf Richtigkeit haben.
Zum Erinnern gehören zwei: Das zu Erinnernde und der/die Erinnernde. Was war, gehört zu uns; was war hat uns verändert und geprägt. Das macht es unmöglich, stehen zu bleiben, denn wir sind morgen immer andere als heute und als wir es gestern gewesen sind. Es ist aber auch unmöglich, so zu tun, als ob nichts war: Denn wie wir morgen andere sind, entscheidet sich an dem, was heute und in der Vergangenheit war.
Das gilt auch und gerade für die Kirche und die christliche Gemeinde, wenn die Anforderungen an uns immer Anforderungen der aktuellen Zeit sind. Und mit Festen ist es genauso: Wenn sie im Jetzt etwas Festmachen, an etwas Erinnern, dann gehört auch das Loslassen dazu, damit wir im Jetzt leben können.
Erinnern lebt vom Festmachen und Loslassen. Aus dieser Dialektik kann sich fruchtbare Energie für die Bewältigung der Gegenwart freisetzen.
Ich freue mich, wenn wir die Herausforderungen der Gegenwart zum Anlass nehmen, gemeinsam Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln. Die ersten Schritte haben wir schon getan und ich bin schon gespannt, was wir auf dem Weg der Veränderung entdecken werden.
Herzlichst,
Ihr Pfr. Rudolf Waron
Bildquellen:
- Erinnerungsfotos: sarandy westfall on Unsplash