Der Herr spricht zu mir: »Ich will dir den Weg zeigen, den du gehen sollst. Ich will dir raten und dich behüten.
Psalm 32,8 (NLB)
Entweder oder… Wir leben in vermeintlichen Gegensätzen. Entweder gehe ich fort oder ich bleibe zu Hause. Beides geht nicht. Ist doch ganz einfach, oder?
Leider gibt es nicht viele Bereiche in unserem Leben, die derart einfach Hand zu haben sind. Ob es berufliche Entscheidungen sind oder solche, die unser Zusammenleben betreffen – im kleinen Kreis von Partnerschaft und Familie – oder im größeren von Freundeskreis und Bekannten oder etwa der Pfarrgemeinde, auch Entscheidungen im gesellschaftlichen Ausmaß sind nicht immer schwarz oder weiß – eigentlich nie.
Mit CETA und TTIP stehen zwei große Verträge mit weitreichenden Folgen vor bzw. im Abschluss. Die Auswirkungen können wir nur erahnen. So zu tun, als wenn ein „Nein!“ uns vor schlimmen Folgen bewahren könnte und ein „Ja!“ uns in den Abgrund stürzen würde, ist genauso fatal wie den Kopf in den Sand zu stecken und unter dem Motto „Ich kenne mich nicht aus“ anderen die Entscheidung zu überlassen – über die wir dann vortrefflich jammern und lästern können.
Und dann noch das vermeintlich gespaltene Land selbst, wie uns die Werber für die wieder anstehende Wahl weis machen wollen – oder soll ich sagen: schwarz malen wollen? Wir sollen den einen wählen, wenn wir dann anderen nicht wollen. Der eine verhindert den anderen. In meiner philosophischen Ausbildung war Wahl noch irgendwie mit Optionen und Möglichkeiten verbunden und weniger mit Verhinderung und Einengung. Tempora mutantur…
Man kann nicht beides haben. Wir haben diese Botschaft gelernt. Entweder bin ich für etwas oder dagegen. Entweder stimme ich einer Aussage zu oder ich lehne sie ab, entweder bin ich auf deiner Seite oder auf der der anderen.
Stimmt nicht! Und damit will ich nicht behaupten, dass es gelogen ist. Es ist nur etwas komplizierter. Nicht immer gibt es nur zwei Seiten wie bei einer Medaille.
Wie lautet das Gegenteil von „jung“? Richtig: „alt“. Aber das Gegenteil von „alt“ ist doch „neu“, oder? Die Welt in Gegensätze einzuteilen ist eine ebenso willkürliche Sichtweise wie das Leugnen von Unterschieden.
Wenn wir Entscheidungen treffen, so müssen wir uns im Klaren darüber sein, was diese Entscheidung bewirkt – aber auch, was eine andere Entscheidung bewirken würde. Und was in diesen Tagen noch wichtiger ist: Welche Auswirkungen es hat, wenn wir keine Entscheidung treffen oder sie aufschieben.
Besonders schwer auszuhalten aber ist für mich derzeit die Stimmung, die mit „es gibt keine Alternative“ eine fatalistische Sicht auf die Welt erzeugt und dabei vorgibt, das Gute gewählt zu haben.
Wenn wir diesen Aussagen glauben, so nur, weil wir daran glauben wollen. Aber vielleicht macht uns einfach nur die Veränderung als Solches Angst. Der Psalmbeter vertraut in aller Veränderung in dieser Welt darauf, dass Dinge sich zum Guten wenden können. Dazu ist es aber notwendig, dass sie sich ändern.
Herzlichst,
Ihr Pfr. Rudolf Waron