Rauskommen oder Reinlassen?

So eine Gefängniszelle ist übrigens ein ganz guter Vergleich für die Adventssituation; man wartet, hofft, tut dies und jenes – letzten Endes Nebensächliches – die Tür ist verschlossen und kann nur von außen geöffnet werden..
Dietrich Bonhoeffer an Eberhard Bethge, Gefängnis Berlin-Tegel am 21.11.1943

Das erste Türchen des Adventkalenders ist geöffnet. Spätestens jetzt ist das Fest angezählt: Weihnachten steht vor der Tür. Bei aller weihnachtlicher Grundbefindlichkeit – zu der auch das weit verbreitete Absingen von Weihnachtsliedern bereits in den ersten Adventtagen gehört – ist die kommende Zeit vor allem durch Appelle gekennzeichnet. Vom öffentlichen Rundfunk und der Wirtschaftskammer gemeinsam tönt der Aufruf zum „Ö3-Weihnachts-Shopping“, von anderen wiederum die „Einladung“, heuer doch endlich einmal wirklich nicht so sehr dem Konsum zum Opfer zu fallen. Ein Opfer, dem so manche wirklich gerne zum Opfer fallen würden, wenn sie denn nicht bereits Opfer wären. Dass sie nicht ganz fallen, daran appellieren wiederum diverse Hilfsorganisationen; wieder mit dem öffentlichen Rundfunk,  aber diesmal – oh Wunder – ohne Wirtschaftskammer. Das „Weihnachts-Shopping“ ist eben nicht für alle da, auch wenn es alle Jahre wieder kommt.Die Anregung von Dietrich Bonhoeffer kann auch uns nachdenklich stimmen, sind wir doch letzen Endes auch gefangen in Sachzwängen, Depressionen, Beziehungen, Trauer, Traditionen u.a.m. und darauf angewiesen, dass uns aufgetan wird. Manchmal macht es eben einen großen Unterschied, ob ich an andere appelliere, Gott hereinzulassen oder ob es nicht vielmehr so ist, dass wir darauf angewiesen sind, dass Gott uns die Tür öffnet. Was keinen Unterschied macht: Wenn die Tür einmal offen ist, kann Begegnung geschehen. Und darauf warten wir doch, oder?

Herzlichst,
Ihr Pfr. Rudolf Waron