Suchet der Stadt Bestes.
Jeremia 29,7
Auf meine Lieblingsstelle in der Bibel angesprochen muss ich nicht lange nachdenken. Der Prophet Jeremia ruft die Gemeinde im Exil zur Verantwortung: „Suchet der Stadt Bestes“. Engagiert euch und tragt zum Gemeinwohl bei.
Verantwortung etwas mit Bleiben zu tun hat – nicht Fliehen, sondern Bleiben und Verantwortung tragen. Zwar leben die meisten von uns nicht im Exil, manchmal kann ich mich aber nicht des Eindrucks verwehren, dass sich Menschen – auch Christinnen und Christen – in dieser Welt zunehmend nicht mehr zu Hause fühlen. Eine Art Eskapismus breitet sich aus bzw. eine Privatisierung von Ideen und Überzeugungen.
Die Stadt steht für den Lebensraum der Menschen. Früher hörte die Stadt an den Stadtmauern auf. Heute müssen wir die Grenzen dessen, was unser Verantwortungsraum ist, viel weiter ziehen. Stadt, Land, Nationalstaat, vereintes Europa sind zu enge Grenzen.
Schließlich ist Verantwortung ein Suchen, nicht nur ein Ausführen von Vorschriften oder das Befolgen von Befehlen. Sie ist ein offenes Suchen, nicht eine schnelle Lösung für ein Problem. Auch die Mittel und Wege müssen gesucht werden. Klar ist nur das Ziel: Das Beste. Verantwortung übernehmen bedeutet, sich für das Bestmögliche einzusetzen, sich nicht zufrieden zu geben mit ein bisschen Ungerechtigkeit, ein bisschen Mobbing, ein bisschen Verhungern, ein bisschen Krieg. Mit solchen Zuständen kann sich Verantwortung nicht zufrieden geben. So steckt neben dem Bleiben, der Stadt und der Suche in der Verantwortung auch die Hoffnung. Eine Hoffnung, die sich nicht mit dem Vorfindlichen zufrieden gibt, weil sie darauf vertraut, dass eine gerechte Welt möglich ist, eine Welt ohne Schmerz und Leid, ja letztlich eine Welt ohne Tod. Verantwortung ist für mich nichts weniger als gelebter Glaube an die Auferstehung.
Herzlichst,
Ihr Pfr. Rudolf Waron