Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt eine/r in Christus Jesus.
Galater 3,28
Es stimmt: Über Geschmack lässt sich streiten. Und so muss ich gleich gestehen, dass die Musik von Herrn Gabalier nicht den meinen trifft – weit daneben! Aber nicht nur musikalisch habe ich andere Vorlieben, auch die ins Bild gesetzte Ästhetik – besonders die Gestaltung der CD-Covers entspricht nicht meinem Geschmack. Schließlich die Texte: Es mag sein – und es ist meine Hoffnung , dass wir uns einmal wiedersehen, aber noch ist es nicht soweit und textlich lässt das völkische rollende Steinderl kein Klischee aus: Blitzsaubere Dirndl („Zuckerpuppen„), gestandene Burschen und so weiter. Gestanden, das ist auch meine Assoziation zur Ästhetik dieses Herrn: Es sind Motive und Inhalte des ständestaatlichen Austrofaschismus – gerne auch als Bauernstaat verniedlicht. Blut und Boden. Zurück zum (vermeintlichen) Ursprung ist eben nicht nur eine ökologische bzw. ökonomische Kategorie sondern manchmal(?) auch eine zeitgeschichtliche. Volks-Rock’n Roller haben’s immer leicht. Sich zu entziehen ist da schon schwieriger. Will ich zum Volk des Herrn Gabalier gehören? Vertritt er meine Werte, so „schön“ sie auch daherkommen?
Zugegeben: Ich lege gerade sehr viel hinein in diese Kunstfigur, aber ich fühle mich vereinnahmt. Dabei bin ich doch auch mitgemeint, so wie in der Bundeshymne auch alle mitgemeint sind. Vereinnahmen und Mitmeinen sind nicht nur nah miteinander verwandt, sondern sie stecken auch in derselben Rhetoriklade, meistens unbewusst, aber immer dort, wo „klare Verhältnisse“ herrschen, mit der Betonung auf „herrschen“. Frauen sind immer mitgemeint, aber nur rhetorisch, das muss klar sein, vor allem bei den herrschenden Verhältnissen.
Gerade wir evangelischen Christinnen und Christen sollten besonders vorsichtig damit sein, andere Menschen und Überzeugungen „mitzumeinen“. Ist Ihnen noch nicht aufgefallen, wie oft gerade wir mitgemeint und damit vereinnahmt werden? Es wird in diesem Land mit seinen klaren Verhältnissen immer von „der Kirche“ gesprochen. Der Plural und –ismus hat sich noch lange nicht durchgesetzt. Bei Skandalen unserer Schwesterkirche sind wir zwar nicht verursachend betroffen, aber als „die Kirche“ natürlich mitgemeint. Wenn es darum geht, die eigenen Kinder zu taufen, wird gerne betont, dass wir „eh alle Christen“ sind, also ganz egal ob evangelisch oder katholisch. Und weil es klare Verhältnisse gibt, werden die meisten Kinder von sogenannten „Mischehen“ (also katholisch-evangelisch, nicht Mann-Frau oder gar Inländer-…) katholisch getauft.
Legt in diesem Land niemand mehr Wert auf einen Mehrwert? Dieser stellt sich ein, wenn nicht alles gleichgemacht, mitgemeint und gleichgerichtet wird, sondern wenn in der Unterschiedlichkeit ein Gewinn gesehen wird. Solange wir keinen Wert auf Unterschiedlichkeit legen, müssen notwendiger Weise alle Mitgemeinten mit dem Gefühl – und ein bisserl Mitgefühl – leben, wohlwollend geduldet zu sein, aber nicht mehr. Mitmeinen heißt immer auch, dass ich sehr wohl weiß, dass die oder der andere nicht dazugehört, aber wohlwollend nehme ich sie oder ihn mit dazu. Mich der Andersartigkeit zu stellen und mich mit ihr auseinander zu setzen ist immer noch zu viel verlangt.
Na dann: Ein Volk, ein Land, eine Kirche, eine Musik und dazwischen Berge, Täler, Ströme, Dome und hinreichend und abschließend auch Söhne – große natürlich nur. Die kleinen Deppen, die die Mehrheit bilden und alles andere so gut es geht mitmeinen und wenn das nicht klappt verteufeln, sind ausdrücklich mitgemeint, also nicht der Rede wert!
Herzlichst,
Ihr Pfr. Rudolf Waron