Bemühe dich darum, dich vor Gott zu erweisen als einen rechtschaffenen und untadeligen Arbeiter, der das Wort der Wahrheit recht austeilt.
2. Timotheus 2,15
Erstens: Wer mich kennt, weiß schon länger, dass ich eine gewisse – aus dem Gewissen resultierende – Abneigung gegen die Hausverstand-bleckende Supermarktkette habe. Nur noch so viel, auch dem singenden Börserl bin ich nicht zugetan. Wenn mir also jemand mit Hausverstand kommt, so sehe ich rot (vor gelbem Hintergrund). So weit so wurscht.
Zweitens: Ebenfalls halte ich nicht mit meiner Meinung hinter dem Berg, dass ich Interviews mit Politiker/innen vor allem deshalb nicht aushalte, weil zwar die Befragten nicht antworten – und das sehr beredt, sondern weil die Frager/innen nicht einmal den Anschein eines Interesses nach Antwort bekunden, indem sie z.B. beharrlich nachfragen würden oder Nicht-Antworten zurückwiesen. Eine wohltuende Ausnahme auf der fragenden Seite ist hier Armin Wolf, der dafür auch immer wieder heftig gescholten wird.
Drittens: Man muss sich nicht für alles interessieren und schon gar nicht in allem auskennen, aber was ich in Österreich neben dem Unwillen, über sein Einkommen zu reden, am wenigsten aushalte: Wir sind alle ach so unpolitisch. Nun gut (oder eigentlich sehr schlecht): In der Geschichte war es statistisch am besten, unpolitisch zu sein, um eine lange Lebenszeit genießen zu können. Ducken und aus der Schusslinie, auch wenn gar nicht geschossen wird. Die größten Dummheiten musste ich mir in der letzten Zeit (ja, auch nach dem Altherrenzimmer im LKH) von betont unpolitischen Menschen anhören. Wenn Politik die Gestaltung des öffentlichen Lebens und damit die Ermöglichung des individuellen Lebensraumes ist, kann niemand unpolitisch sein. Die Ducker und Drücker haben zwar eine lange Lebenszeit genießen können, aber vor allem wegen des Mutes und des Einsatzes von Menschen, die sich nicht geduckt, sondern getraut haben. Wer heute glaubt, sich aus allem raushalten zu können, geht morgen den dumpfen Parolen von Menschen und Parteien auf den Leim, die ihm glauben machen wollen und können, dass an allem Übel dieser Welt jemand anderer schuld ist. Das haben wir ja eh schon immer gewusst, hinterher.
Heute war ein Roter mit gelbem Hintergrund im Journal zu Gast, und er war auf seine Art Mr. Hausverstand: Hans Nießl. Er hat es geschafft, meinen Ekel bezüglich der Farbgebung rot-gelb vom Supermarkt zu lösen und dieselben Emotionen auf die Politik im östlichsten Bundeslandes zu übertragen: Ekel und Widerwärtigkeit, weil unanständig und verlogen (ja, natürlich!). Dazu die Glaubensmacher-Rhetorik aus dem rechten Eck und die damit verbundene Schuldfrage, wobei er die Flüchtlingspolitik nicht politisch sehen will, sondern „pragmatisch und mit Hausverstand“. Er sieht keine inhaltliche Nähe zur FPÖ – wie denn auch, denn Inhalt und FPÖ schließen sich meiner Meinung nach aus. Das arme Schweinderl das für bio steht darf leben, damit alle anderen armen Schweine pseudo-bio massenhaft abkratzen. Die Farbe Rot in Flaggen und Wappen steht traditionell für Blut, das vergossen wurde – für uns oder gegen uns, das ist manchmal vielleicht auch eine theologische Frage, aber nie eine unpolitische!
Aus Gärten werden Festungen und aus Hecken werden Zäune. Schließlich müssen Sie zu dem werden, wozu sie hochstilisiert werden: Zu Gräben des Schutzes, zu Schützengräben.
Herzlichst,
Ihr Pfr. Rudolf Waron