Haltbar gemacht

Herr, du kennst all mein Begehren, und mein Seufzen ist dir nicht verborgen.
Psalm 38,10

Vieles liegt verborgen „unten“ in unseren Kellern. Weggestellt, damit wir „oben“ mehr Platz haben. Weggestellt, aber nicht für immer, denn es ist ja bekanntlich nicht alles schlecht, was in den Keller kommt. Weggestellt, um es später genießen zu können, denn im Keller hält vieles länger.

Was bei Genussmitteln erwünscht ist, stößt nicht nur bei politischen, weltanschaulichen und natürlich auch religiösen Ansichten oft sauer auf. Liegt der Skandal nun darin, dass diese haltbar gemachten ideellen Kellerbewohner ans Tageslicht kommen? Niemand, mit Vernunft begabt und diesen auch nutzend, wird dem zustimmen. Wohl eher Zustimmung erfahren wird da schon die Ansicht, dass die bloße Existenz dieser haltbar gemachten Ansichten das Problem darstellt.

Dabei will ich mir die Sache nicht zu einfach machen, denn in der vermeintlichen Einfachheit, also der Vereinfachung, liegt die Stärke von vielen dieser gut haltbar gemachten Einstellungen. Der guter Gott, der böser Ausländer, der Russe, die rumänischen Banden und die ehrenhafte Treue der Verteidiger unseres erweiterten Heimatlandes im Ural. Derzeit kämpfen nicht wenige vereinfachte Individuen für ihr eigenes Rezept von Gott. Eingelegt haben es andere. Und darin liegt für mich auch der Skandal: Die (R)Einlegenden bleiben unbehelligt, wo es doch so wichtig wäre, diesen in den Sud zu spucken. Wenn eine Institution oder politische Partei nur die Bewahrung und das Einlegen zum Programm hat, braucht sie sich nicht wundern, wenn Menschen diese ab und zu aus dem Keller holen. Eine Gesellschaft, welche die Einleger deckt, wird einmal das aufjausnen müssen, was sie sich haltbar gemacht hat.

Herzlichst,
Ihr Pfr. Rudolf Waron