Weil im Land eine Hungersnot herrschte, verließ ein Mann aus Betlehem im Gebiet von Juda seine Heimatstadt und suchte mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen Zuflucht im Land Moab.
Rut 1,1
Krisen sind mitunter Gelegenheiten. Eine ganz persönliche hat mir Gelegenheit gegeben, sehr nah an den „Sorgen und Nöten der Menschen“ sein zu können. Konkret war ich für einige Tage in einem klassenlosen Krankenhauszimmer. Ohne neue (Facebook), aber dafür mit fast ausschließlich alten sozialen Medien (Kronenzeitung) und ebensolchen „Usern“/Lesern/Bildanschauern.
Soweit so unproblematisch. Nur eignet Menschen bei aufwallenden Emotionen die Eigenschaft, diesen – leider ungefiltert und oft auch unbedacht – freien Lauf zu lassen. Grundsätzlich vernunftbegabte Menschen glauben scheinbar alles, wenn es nur gefällig scheint – nicht, wenn es glaubwürdig ist oder zumindest scheint. Glauben heißt glauben wollen. Glauben, dass Flüchtlinge iPhones geschenkt bekommen, dass sie kostenlos einkaufen dürfen und so weiter.
Dazu kommen „alte Werte“: Die sollen ihr Land verteidigen und sich nicht feig drücken. Aber am schlimmsten ist die Unterscheidung zwischen „echten“ Flüchtlingen und Wirtschaftsflüchtlingen. Während ersteren grundsätzlich zugestanden wird, ihr Land zu verlassen, solange sie es in Richtung eines anderen Landes als Österreich tun, wird es letzteren nicht nur abgesprochen, sie werden sogar kriminalisiert.
Die Geschichte von Rut aus dem Ersten Testament ist eine über Wirtschaftsflüchtlinge. Also die Geschichte eines grundlosen Verlassens der eigentlich doch nicht so schlechten Heimat. Die sollen sich doch nicht so anstellen.
Gut, dass diese Geschichte keinen historischen Anspruch stellt. Sie ist also nicht „wahr“ im Sinne von tatsächlich passiert. Das nimmt ihr aber nicht die Schärfe – im Gegenteil: Dieses literarische Kunstwerk schreit uns förmlich an: Man kann Fremden gegenüber auch anders – menschlich – handeln.
Fünf alte Männer in einem Krankenhauszimmer wollen glauben, was ihnen erzählt bzw. in der Zeitung entgegen geschrieben wird, meistens grundlos. Eine bodenlose Frechheit aber ist, dass Menschen in Parteien und Medien mit dieser Gutgläubigkeit, nein: Leichtgläubigkeit spielen. Wider besseren Wissens und vor allem wider humanistischer Werte – von mir aus auch bürgerlicher. Auf jeden Fall aber jenseits der meisten kirchlichen, jedweder christlichen und diametral entgegen jesuanischer Botschaften. Bodenlos schämen müssten sie sich. Und wieder einmal will ich niemandem Böses unterstellen, sondern – vielleicht noch schlimmer – einfach die Frage stellen: Cui bono, wem nützt es? Immer wenn mir jemand sagt, dass ich meinen Blick auf dieses und jenes richten soll und mir dabei auch noch richtig Angst machen will, habe ich das ungute Gefühl, dass ich abgelenkt werden soll, dass ich meine Freiheit und mit ihr meine Verantwortung abgeben soll. Damit aber werde ich auch grundlos den Boden los, auf dem meine Hoffnung wächst. Hoffnungslosigkeit können wir uns aber nicht leisten. In diesen Zeiten genauso wenig wie in vergangenen oder literarisch erfundenen bzw. gefundenen.
Es geht nicht um den oder die Fremde/n, um den fremden Krieg im fremden Land, sondern es geht um die Entfremdung hier bei/in/von mir. Aber dazu ein anderes Mal mehr. Soviel sei aber schon verraten: Es geht um einen schönen, alten, kirchlichen Werterahmen mit Sanktionsmöglichkeit und Nachhaltigkeitsgarantie, um Sünde!
Herzlichst,
Ihr Pfr. Rudolf Waron