#24: Bleiben.

Da sprach Jesus zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wachet mit mir!

Matthäus 26, 38 (LUT)

Jesus spricht diese Worte zu seinen Freund*innen wenige Stunden vor seinem Tod.

Ganz ehrlich: Wem könnten Sie das sagen, wenn sie sich so fühlen? Meine Seele ist zu Tode betrübt, das können wir doch niemandem zumuten?

Ich will es umgekehrt versuchen: Wäre ich in der Lage, diesen Satz zu hören? Wäre ich in der Lage, diesen Satz auszuhalten?

Sofort fallen mir Interventionen ein. Das darf nicht sein, da muss ich doch was unternehmen, da muss doch was gehen! Aufmuntern oder Ablenken. Irgendwas geht immer.

Aber was, wenn es in diesem Moment nichts zu tun gibt, auch nichts zu sagen?

Weil wir uns schwer tun, diesen Satz auch nur zu hören, fällt es uns auch schwer, ihn zu sprechen.

Dabei kann dieser Satz, wenn ein Mensch am Ende ist, zum Anfang werden. Wenn er ausgesprochen wird und wenn er gehört wird. Wenn wir bleiben und aushalten.

Bleibt hier und wachet mit mir!

In der Passionsgeschichte nach Matthäus kommen die Jünger der Bitte Jesu nicht nach. Sie schlafen im Garten Gethsemane.

Was wäre nicht alles möglich gewesen:

  • Sie hätten die Not des Freundes wahrnehmen können.
  • Sie hätten mit ihm gemeinsam auf das Ende warten können.
  • Sie hätten mit ihm sprechen können. Worte, die noch gesagt werden mussten. Dank. Fragen. Sich versöhnen.
  • Sie hätten sich gemeinsam erinnern können an viele gemeinsame Erlebnisse und dabei vielleicht sogar Leichtigkeit erfahren.
  • Sie hätten ihm die Möglichkeit geben können, über seine Todesangst zu sprechen.
  • Sie hätten über ihre eigenen Ängste und Hoffnungen sprechen können.
  • Sie hätten gemeinsam beten können.

Auch an den Karfreitagen unseres Lebens und im Leben anderer sind uns Möglichkeiten gegeben, wenn wir das Bleiben aushalten und wach bleiben.

Herzlichst,
Ihr Pfr. Rudolf Waron

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