Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.
Sacharja 9,9 (LUT)
Die Adventzeit ist bald zu Ende. Für dieses Jahr. Die Hoffnung bleibt. Auf einen König, der zu uns kommt. Ein König, der gerecht ist. Und hilft.
Und arm ist. Bitte wie? Wie soll einer, der arm ist, helfen können? Ist es nicht so, dass Arme vielmehr Hilfe benötigen? Und bitte, was soll das für ein König sein, der arm ist? Das Gegenteil ist doch der Fall. Man könnte fast geneigt sein zu sagen, dass das ein Anti-König ist.
Wenigstens ein Reittier hat er. Wobei in dem Zusammenhang ein Esel auch eher die Karikatur eines Pferdes ist. König – Pferd, Lasten – Esel, das sind die Begriffspaare, die zusammengehören. Der König, der auf einem Esel reitet, ist ein König auch der Kleinen und Armen. Ein König auch der Benachteiligten und Unterdrückten. Ein König auch der Erfolglosen und Ungeliebten. Ein Anti-König also.
Mit Königen haben wir es eher nicht so in Österreich. Also eigentlich. Wenn, dann Kaiser oder Führer. Jedenfalls nichts für Schwache und Erfolglose. Nichts für die, deren Leistung sich nicht lohnt, die keine Leistungsträger sind, sondern Lastenträger. Wie ein Esel. Da will ich doch nicht dazugehören. Wir wollen – wenn das Bild schon sein muss – Pferde sein, keine Esel. Leistung tragen, keine Lasten, das ist das Motto unserer Gesellschaft.
Wen wundert es, dass der Esel Sinnbild für die Nachfolge Jesu geworden ist? Der Esel, auf dem Jesus reitet, steht für ein von Christus bestimmtes Leben. So könnte man vielleicht ein wenig provokant sagen, dass die neue Wirklichkeit, deren Anbruch im Advent erwartet wird, die jenes Esels ist, der von Christus geritten wird.
Lass mich dein Esel sein, Christus. Herr Jesus Christus, du bist zu uns auf die Erde gekommen- auf einem Esel. Du willst nicht über die Menschen herrschen, sondern hast uns allen gedient. Du bist unser Sündenbock und Lastesel geworden; du hast alles auf dich genommen am Kreuz. Nun sind wir entlastet. Dafür danken wir dir. Aber nun wollen wir Lasten tragen von Menschen, die belastet sind. Wir wollen ganz in deiner Nähe sein. Lass uns deine Lastesel sein, Christus.
Erzbischof Dom Hélder Câmara
Herzlichst
Ihr/Dein Pfr. Rudolf Waron