Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier.
Markus 16,6 (EU)
Wo ist er denn? Und schon beginnt die Suche: Nach dem Schlüssel, dem Einschlaftier des Kleinen, dem letzten §57a-Prüfbericht.
Es ist doch ärgerlich, wenn die Dinge nicht dort sind, wo wir sie vermuten: In der Schlüsselschale im Vorzimmer, im Bett oder im Auto-Ordner im Arbeitszimmer.
Und dann gibt es noch die Verständigungszettel, wenn wir nicht gefunden werden von Mitarbeiter*innen des Paketdienstes.
Und mitunter ist es nicht nur ärgerlich, sondern macht es uns traurig, wenn wir nicht fündig werden: Das Buch mit der Widmung, die Postkarte, die uns jemand geschickt hat, der gerade gestorben ist und wohl das letzte war, das uns dieser Mensch hinterlassen hat.
„Er ist nicht hier“ – wie fürchterlich diese Nachricht gewesen sein musste, können wir uns heute nur vage vorstellen. Die Frauen haben sich in aller Früh auf den Weg gemacht, um noch ein letztes Mal für Ihren Rabbi da zu sein. Und dann ist er nicht dort, wo sie in erwartet haben.
Schlimm genug, dass sein Reich nicht Wirklichkeit werden konnte, von dem er immer gesprochen hat – jetzt fehlen noch alle Spuren von ihm. Wo kann er sein?
Die Frauen suchen den Gekreuzigten und können ihn nicht finden. Er ist nicht (mehr) dort, wo sie ihn erwarten.
Die froh machende Botschaft („Evangelium“) vom Auferstandenen hat vermutlich beim ersten Mal nicht ganz so froh gemacht. In dem ganzen Schlamassel von der gescheiterten Revolution ist auch noch der Leichnam weg. Wollten die Machthaber, dass diese Frauen die ersten und vor allem auch letzten waren, die zum Grab des Aufrührers pilgerten?
Wir dürfen heute den Auferstandenen suchen. Bleibt trotzdem die Frage, ob er dort ist, wo wir ihn suchen, oder ob wir uns ebenso wie die Frauen damals überraschen lassen – erschrecken lassen? – dass er ganz woanders ist? Und ob er dort, wo wir ihn finden, auch von anderen gefunden werden kann? Das ist meine Anfrage an die Kirche und an uns Christ*innen.
Herzlichst,
Ihr Pfr. Rudolf Waron
Bildquellen:
- Turmspitze Göttweig: Rudolf Waron