Oder wie Gottes Pannenhilfe aussehen kann.
Sie kommen aus dem fernen Morgenland. Sie sind lange unterwegs und folgen einem Stern. Die Weisen aus dem Morgenland, oder Heiligen drei Könige, stehen prototypisch für Menschen, die sich auf den Weg machen zu Gott. In diesem Fall zum Jesuskindlein in der Krippe.
Aufbrechen und sich auf den Weg machen ist Lebenswirklichkeit des Menschen. Abraham ist dem Ruf Gottes gefolgt und über Umwege ins verheißene Land gezogen. Mit Israel ist ein ganzes Volk unterwegs, wiederum mit vielen Umwegen und Irrwegen. Auch das ist eine Grunderfahrung des Menschen: Der Weg verläuft nicht ohne Auseinandersetzungen. Konflikte und falsche Entscheidungen lassen Wege mitunter als Labyrinthe erscheinen.
Im Jahr der Schöpfung, das die Evangelische Kirche in Österreich für dieses Jahr ausgerufen hat, will ich mich dem Unterwegs-Sein auch im Sinne von Nachhaltigkeit und Schöpfungsverantwortung widmen. Dazu will ich die Geschichte von Bileam und seinem Esel – seiner Eselin! – bedenken. Bileam, ein moabitischer Weissager, soll einem mit Israel verfeindeten Herrscher helfen. Einen Fluch soll er gegen dessen Feind Israel aussprechen und so dessen Vormarsch stoppen. Bileam lehnt zunächst ab, macht sich aber dann doch mit seiner Eselin auf den Weg. Doch diese Eselin sieht mitten auf dem Weg einen Engel mit einem Schwert, der ihnen den Weg versperrt. Von seinem wütenden Besitzer geschlagen spricht plötzlich Gott selbst durch die Eselin: „Du hast mich jetzt schon dreimal geschlagen. Was habe ich dir denn getan?“ (Num 22,28). Bileams Drohungen helfen nichts, sein Gefährt, die Eselin, bleibt stehen. Nichts geht mehr. Letztlich sieht auch Bileam den Engel, der ihnen den Weg versperrt, was ihm Ehrfurcht einflößt: Er wirft sich mit dem Gesicht zu Boden und erfährt, dass sich Gott ihm selbst in den Weg gestellt hat: „Ich selbst habe mich dir entgegengestellt, weil du auf einem verkehrten Weg bist. Aber deine Eselin hat mich gesehen und ist dreimal vor mir ausgewichen. Du verdankst ihr dein Leben, denn wenn du weitergeritten wärst, hätte ich dich getötet;“ (Num 22, 32f). Bileam wird bewusst, dass sein Gefährt ihm das Leben gerettet hat, indem es nicht weiterging:
»Ich habe Unrecht getan«, sagte Bileam. »Ich habe nicht gewusst, dass du dich mir in den Weg gestellt hattest. Ich werde sofort umkehren, wenn du mit dieser Reise nicht einverstanden bist.«
Num 22,34 (GNB)
Ein Satz der Einsicht, den ich mir zu eigen machen möchte. Ein Satz, der es zugleich nicht leicht macht, ihm Schritte folgen zu lassen. Es ist nicht einfach, wenn man in Fahrt ist, eine Kursänderung vorzunehmen. Längst sind wir Menschen nicht mehr nur unterwegs, um notwendige Wege zurückzulegen, auf der Suche nach Wasser und Nahrung, auf der Suche nach Lebensmöglichkeiten und auf der Flucht vor widrigen Bedingungen, Hunger, Krieg und Naturkatastrophen. Längst sind wir unterwegs zu anderen Sehnsuchtsorten, zu Urlaubsparadiesen. Längst legen wir Wege nicht mit Esel(innen) zurück, sondern mit Flugzeugen und Autos. Wege, die mitunter nicht mehr überdacht werden, sondern als notwendig erachtet scheinen. Autos wo Esel reichen würden, auch wenn sie aus Draht sind. Wir kehren nicht um. Wir verweigern das Umdenken und das Umlenken, stattdessen fördern und fordern wir das Umstecken. Von Benzin auf Strom. An den Wegen und der Art, sie zu beschreiten bzw. zu befahren, wollen wir nichts ändern.
Wir brauchen dringend Pannenhilfe in unserer eingefahrenen Situation. Was wir brauchen, ist eine Eselin, wie Bileam sie zur Verfügung stand. Wir brauchen Gefährt*innen, die mehr sehen als wir selbst bereit sind zu sehen. Und die notfalls einen Stopp einlegen, bevor wir in Gefahr geraten. Gefährt*innen, die uns selbst in Gang setzen. Uns, die wir längst liegen geblieben sind angesichts der Herausforderungen zeit- und umweltgerechter Mobilität. Damit wir wieder gut unterwegs sein können. Damit wir Sternen folgen können, die uns weiterbringen, oder näher: Zueinander, zu uns selbst, zu Gott.
Herzlichst
Ihr/Dein Pfr. Rudolf Waron