19. Türchen: Vervollständigen

Da sprach der HERR zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin? Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein?

1. Mose 18, 13.14a

Vierter Advent. Unser Warten geht in die Zielgerade. Also das Warten auf Weihnachten. Unser Warten auf Normalität wird heuer wieder auf die Probe gestellt. Auch Abraham und Sara haben gewartet. So lange musste sie warten, dass sich die Verheißung erfüllt, die Gott ihrem Mann gegeben hat, dass sie zu einem großen Volk werden sollen. Sie sind sehr alt, als sie erfahren, dass sie ein Kind bekommen werden. Und Sara reagiert zutiefst menschlich: Sie lacht!

So lange waren sie unterwegs mit so vielen Umwegen. Und immer noch nicht am Ziel. Für Sara war es noch schlimmer, weil sie auf etwas verzichten musste, was damals und in vielen Teilen der Welt bis heute zu einer vollständigen Weiblichkeit gehört: Die Mutterschaft. So lange unterwegs und dabei fehlt etwas, was sie ganz zur Frau macht. Was sie ausmacht. Nun sind die Zeiten zumindest bei uns glücklicher Weise andere, aber dass etwas fehlt, was uns ganz ausmacht – dieses Gefühl kennen wir auch. Oft nur sehr diffus wie eine Art Hintergrundrauschen, aber doch wahrnehmbar, wenn wir in uns gehen und genau hinhören.
Sara kann es gar nicht glauben, als sie erfährt, dass sie nun ver-voll-ständigt werden sollte. Sie hat sich an ihre defizitäre Existenz schon gewöhnt, sich damit abgefunden, dass sie nicht ganz ist, nicht für voll genommen wird.

Wenn wir auf Weihnachten blicken, so schauen wir auf einen Gott, der sich ganz herunterlässt ins Menschsein. Auf Jesus, der ganz Mensch wird. Sein Wirken, sein Reden und Handeln helfen Menschen, auch ganz Mensch zu werden. Gott will uns ver-voll-ständigen. Er weiß um unsere existenziellen Defizite, um unsere Sehnsucht nach Angenommen-Sein, unsere Sehnsucht, dort anzukommen, wo wir ganz wir selbst sein dürfen ohne Angst vor uns selbst oder vor anderen oder auch vor Gott. Ohne Angst vor irgendwem und irgendwas, weil in Gott alle Ängste aufgehoben sind. Unterwegs auf Weihnachten zu, das kann auch heißen, dass wir vom zum Teil verzweifelten Anhäufen von Geschenken aus einer tiefen und uneingestandenen Furcht – oder besser gesagt unstillbaren Sehnsucht nach Geliebtwerden – verwandelt werden durch den Zuspruch: Fürchte dich nicht.

Fürchte Dich nicht – auch wenn du nicht alle Geschenke besorgen konntest, nicht alle Kekse backen konntest, nicht jeden Winkel dekorieren konntest. Freue dich daran, dass Gott dich liebt, damit du dich annehmen kannst, wie du bist.


Herzlichst
Ihr/Dein Pfr. Rudolf Waron