Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld.
Römerbrief 8,25
Können Sie es auch nicht mehr erwarten? Ganz gleich, ob es die Bestellung beim Online-Händler ist oder der Sommer, der auf sich warten lässt, der lang ersehnte Urlaub am Meer oder die Zeit bis zur Pension: Es fällt uns schwer, zu warten. Ganz zu schweigen davon, mit Geduld zu warten.
Haben wir etwa keine Zeit? So lautet doch die meist gestellte Diagnose. Oder ist es nicht doch etwas tiefer liegend? Etwas *noch* nicht zu haben ist vielleicht auch mit der Angst besetzt, es vielleicht *nie* haben zu können. Und je eher wir das Gewünschte bei uns haben, desto eher werden wir auch die Angst los. Oder auch nicht.
Paulus schreibt von geistlichen Dingen im achten Kapitel seines Briefes an die Gemeinde in Rom. Eine Expresslieferung ist ihm fremd. Die Ängste seiner Zeitgenoss*innen sind es ihm nicht. Und er setzt Angst etwas entgegen, was beim besten Willen nicht auf die Schnelle zu kriegen ist: Vertrauen.
Vertrauen braucht etwas, das wir vermeintlich nicht (mehr) haben: Zeit. Nicht, dass es von selbst entstehen würde, aber auf die Schnelle erst gar nicht. Zeit, die aktiv gestaltet wird, etwa mit Hoffen. Zeit, die wir von Menschen begleitet werden, die unsere Hoffnung teilen und mit denen wir sie üben. Zeit, die auch Enttäuschungen übersteht.
Mitunter wird unser Vertrauen aber sehr strapaziert. Sei es durch unsere Mitmenschen, aber auch durch Gott. Anliegen, die wir äußern, im Gebet mit Gott oder im Gespräch mit unseren Mitmenschen, harren auf Erhörung. Manchmal auch nur auf eine einfache Reaktion. Sogar eine Verneinung ist dann schon ein Zeichen dafür, dass wir gehört werden, wenn wir schon nicht erhört werden.
Lassen wir unser Vertrauen fahren, wenn wir enttäuscht werden? Oder kann unser Vertrauen durch nichts und niemanden erschüttert werden? Manchmal gibt es Zeiten im Leben, in denen wir von Vertrauen zehren müssen, das wir gelernt haben. Und das, obwohl Vertrauen eigentlich eine Vorausleistung ist. Vertrauen ist der Zeit voraus. Enttäuscht werden wir sehr oft in unserem sogenannten „spezifischem“ Vertrauen, also Erwartungen an und in unsere Umwelt, Mitmenschen, den „Umständen“. Das Vertrauen als Lebenshaltung – „generalisiertes“ Vertrauen – kann uns dagegen auch in Enttäuschungen tragen.
Ein letzter Gedanke noch: Ist Vertrauen zwar einerseits der Zeit voraus, zukunftsbezogen, so meint das Zehren aus dem Gelernten, dass Vertrauen auf Erfahrungen beruht. Dieser wechselseitigen Bezogenheit entspricht auch ein weiterer Umstand: Vertrauen wirkt im Bereich zwischen Wissen und Nicht-Wissen. Wenn ich alles weiß, *muss* ich nicht vertrauen und wenn ich nichts weiß *kann* ich es nicht.
Mit diesem Wissen kann Vertrauen das Gegenmittel zur Expresslieferung sein. Denn beim Warten können sich auch „Nebenwirkungen“ einstellen: Vorfreude. Wir können uns vorstellen, wie es wird, wenn… Wir können unsere Fantasie spielen lassen, planen, uns überraschen lassen und so weiter…
Das würden wir alles aufgeben mit einer Expresslieferung. Und das wäre doch schade.
Herzlichst,
Ihr Pfr. Rudolf Waron