1. Türchen: Luzid

Denn ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.

Römer 8,18

Heute war es so weit: Das erste Türchen am Adventkalender durfte geöffnet werden. Nicht irgendein Adventkalender, sondern der mit der Maus, der Ente und dem Elefanten. Für beide. Damit es keinen Streit gibt – den gibt es trotzdem.

Welch eine Freude ist es, das Türchen auf zu machen. Was ist dahinter? Dass etwas dahinter verborgen ist, ist klar. Die Frage ist nur, was dahinter verborgen ist. Was verborgen war, das erscheint nun im Licht. Die erste Tür, die zu öffnen ich Sie/Dich heute einlade zu öffnen, dreht sich um die Frage, was wir erkennen können.

In diesen Zeiten dreht sich alles um Meinungen und um die Art und Weise, wie sie geäußert werden. Ich habe durch die Erziehung meiner Eltern, durch die Schule und – ja: auch durch die Kirche gelernt, dass Meinung nicht etwas ist, was es gilt heraus zu schreien, sondern zuerst einmal etwas, das ich mir bilden muss. Dazu braucht es Informationen, die zu Wissen werden, das zur Überzeugung gerinnen kann, aber immer wieder durch neue Erkenntnisse in Frage gestellt aber auch untermauert werden kann. Dann – und ich meine: dann erst– soll ich mit meiner Meinung auch nicht hinter dem Berg halten. Immer gewahr, dass ich dabei irren kann.

Der Wechsel vom Verborgenen (lat. occultus) zum Erkennbaren ist die Offenbarung. Und Offenbarung ist wie das Öffnen einer Tür. Das, was dahinter ist, wird nicht einmal verändert, indem man es betrachtet. (Anm: Die Quantenphysiker unter Ihnen/Euch werden jetzt aufschreien, aber das würde doch zu weit führen…) Das Gesehene erscheint nun in einem anderen Licht oder vielleicht zum ersten Mal im Licht (lat. lux), wird luzid. Hell, klar und deutlich.

Ich nehme derzeit ein Besitzstreben nach Erkenntnis wahr. Nicht auf der Straße (auf Demonstrationen), sondern vielmehr gegen die Meinungen auf der Straße. Vergessen wir nicht, dass auch besser Wissen noch nicht gut Wissen meinen muss.

Freuen wir uns, wenn Menschen in Bezug auf die aktuellen Herausforderungen lernen dürfen – wie auch wir lernen dürfen. Auch lernen, die verinnerlichten Begriffe wie Freiheit, Verantwortung, Solidarität und andere neu zu buchstabieren, damit sie keine leeren Worthülsen werden. Und dieses Lernen ist wie das Öffnen der Türchen – immer wieder neu. Übrigens: Heute war ein Keksausstecher drin. In beiden Kalendern.


Herzlichst
Ihr/Dein Pfr. Rudolf Waron