Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.
Johannes 6,37 (E)
Zugegeben, während ich diese Zeilen schreibe, habe ich mein Telefon ausgeschaltet. Ich bin nach den Weihnachts(gottes)diensten mit der Familie weggefahren. Raus und weg. Weg von den täglichen Verpflichtungen, raus aus dem Alltag. Ein paar Tage Ferien. Endlich Zeit für … – jetzt hätte ich beinahe „Wichtiges“ geschrieben. Also: Endlich Zeit für manches, das ein wenig zu kurz gekommen ist in den letzten Wochen. Die Kinder spielen mit den Großeltern, das schafft auch Raum zum Verschnaufen.
Liegen geblieben ist einiges in den vergangenen Wochen. Auch Wichtiges. Aber eben nicht so Dringliches. Ich habe gelernt, zu unterscheiden. Und auch: Auszuhalten.
Die Spannung aushalten zwischen dem, was ist und dem, was in unseren Breiten mit „eigentlich“ eingeleitet wird, dem mitunter ein „sollte“ folgt. Also: Eigentlich sollte ich jetzt dies und jenes tun.
Eine kleine Zeitreise: Stellen Sie sich vor, es ist letzte Woche, etwa der 23. Dezember 2021. Die ToDo-Liste für Weihnachten (und danach) ist schon mit vielen Häkchen versehen, aber die Liste ist auch sehr lang. Es läutet das Telefon: „Kann ich vorbeikommen?“ tönt es Ihnen mit brüchiger Stimme entgegen. Ein ungünstiger Zeitpunkt. So ungünstig wie den Tag zuvor auch. Gerne würden Sie Nein sagen, es reicht gerade noch für ein „Also eigentlich…“ Für ein „… ist es gerade nicht so günstig?“ reicht es nicht.
Jemand braucht uns. Unsere Aufmerksamkeit, unser Mitgefühlt. Zeit, Gedanken, Wissen. Irgendwas braucht diese/r jemand. Und wir sind auch gerne für diese/n jemand da, also eigentlich, denn jetzt passt es gerade gar nicht.
„Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu“, hat Ödön von Horváth gesagt.
Ende der Zeitreise. Es ist eine Woche später. Zeit ist immer noch knapp, aber es gibt noch Reserven. War diese/r jemand da? Kann diese/r jemand jetzt vorbeikommen? Will er/sie es überhaupt noch?
Die Jahreslosung für 2022 bringt eine unglaubliche Botschaft: Sie kommt ohne „eigentlich“ aus. Christus spricht uns zu: Wer zu mir kommt, den weise ich nicht ab. Also nicht nur unter günstigen Bedingungen, sondern unbedingt. Christus kommt ohne „eigentlich“ und ohne „sollte“ aus. Ein einfacher Satz, der enorme Auswirkungen hat. Keine Bedingungen, keine Öffnungszeiten, keine Zugangsbeschränken, keine „G“s, egal ob 2G oder 3G, kein Impfstatus. Nichts. Nur das Angebot: Ich bin da.
Da kann ich nicht mithalten. Will ich auch nicht. Was ich aber kann: Dieses Angebot annehmen und davon berichten. Und ehrlich bleiben. In diesem Zusammenhang heißt das für mich: Auf das „eigentlich“ verzichten. Ich bin gerne für Menschen da, aber eben begrenzt, weil ich auch begrenzt bin. Ich bin so, da will ich Horváth widersprechen lernen. Ich will lernen mein Selbstbild der Wirklichkeit anzupassen.
Ja sagen lernen und Nein sagen lernen. Und das bedeutet, das Richtige zur richtigen Zeit sagen zu lernen.
Und auch, mit diesem Text nicht mehr bis in den Urlaub zu warten, während draußen die Kinder mit dem Bob den Hügel runterrutschen.
Herzlichst
Ihr/Dein Pfr. Rudolf Waron